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Thomas-Cook-Pleite erwischt Reisende aus der Region kalt

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Für Touristiker in der Region bedeutet das Aus des Reisekonzerns zunächst vor allem zweierlei: Unsicherheit und Abwarten. Die nächsten Stunden und Tage werden zweigen, was die Thomas-Cook-Pleite bedeutet. Bei Urlaubern sitzt der Frust tief.

Von unserer Redaktion und dpa
Die deutsche Thomas-Cook-Zentrale in Oberursel. Foto: dpa
Die deutsche Thomas-Cook-Zentrale in Oberursel. Foto: dpa  Foto: Silas Stein (dpa)

„Vier, fünf Anrufer“ zählt Reiseverkehrskaufmann Thomas Raisch vom Heilbronner Reisebüro Böhm am Montagmorgen. Anrufer, die wissen wollten, was die Insolvenz von Thomas Cook bedeutet. Klar sei im Moment nur eines, sagt Raisch: Der Verkauf von Thomas-Cook-Reisen ist komplett eingestellt.

Wer aber heute oder am morgigen Dienstag seine bereits gebuchte Reise antreten wollte, müsse abwarten. Ob die Reise wie geplant vonstattengehe, sei nicht gewährleistet. Nicht von der Pleite betroffen sei bis jetzt die zum Konzern gehörende Fluglinie Condor. „Condor fliegt weiter“, so Raisch am Vormittag. Aus rechtlichen Gründen jedoch dürfen Cook-Bucher nicht transportiert werden. Betroffen von der Insolvenz sind außerdem Marken und Tochterunternehmen in Deutschland wie Neckermann Reisen, Bucher Last Minute, Öger Tours und Air Marin.

Langjähriger Marokko-Urlauber ist betroffen

Mike Schneider aus Bad Rappenau gehört zu den Urlaubern, die von der Cook-Pleite betroffen sind. Morgen, Dienstag, wollte er mit Condor nach Marokko: „Aber ich weiß nicht, ob mein Flieger geht.“ Er habe schon vor einiger Zeit über den Reiseladen Heilbronn vier Wochen Marokko gebucht, ein Komplettpaket mit Bucher Reisen. „Ist alles kacke jetzt“, sagt Mike Schneider, der vielen als langjähriger Schwimmmeister in Bad Rappenau und seit 2019 in Bad Wimpfen bekannt ist. Schneider reist seit Jahren nach Marokko. „Ich hoffe, dass die Versicherung die Kosten übernimmt“, sagt er. Mike Schneider erhält am Montagabend Bescheid. Seine für den nächsten Tag geplante Marokko-Reise ist gestrichen. Er habe bereits eine Ersatzreise bei ITS Reisen gebucht, sagt er. In einer Woche fliegt er. Eine teure Erholung. Für die nun anstehenden drei Wochen bezahle er noch einmal so viel wie für die gecancelte Vier-Wochen-Reise.

Im Stress sind die Beschäftigten im Heilbronner Reiseladen. "Überall glühen die Leitungen", sagt Inhaber Volker Effenberger. Kunden seien verunsichert und riefen an, weil sie wissen möchten, was aus ihrer Urlaubsreise wird. Pauschalreisen, die heute oder morgen starten sollten, versuchen seine Mitarbeiterinnen umzubuchen. "Kunden haben im Reisebüro die Ansprechpartner, die sich kümmern", sagt Reiseladen-Büroleiterin Heike Althaus. Was gebuchte Ferien angeht, die erst in den nächsten Wochen oder Monaten losgehen sollen, heißt es: abwarten. Stündlich, so Effenberger, kommen neue Nachrichten.

Obwohl Thomas Cook seit Monaten finanziell in großen Schwierigkeiten steckt, kommt das Aus für Martina Fruhstuck, Inhaberin von Weibertreu Reisen in Weinsberg, überraschend. „Damit habe ich nicht gerechnet.“ Sie sei davon ausgegangen, dass das in der Vergangenheit geschnürte Sicherheitspaket zur Rettung des angeschlagenen Konzerns greift. „Wir warten ab“, beschreibt sie die momentane Situation. Fruhstuck hat nach eigenen Angaben am Morgen mit betroffenen Urlaubern gesprochen. Sie versichert: „Pauschalreisende werden zurückgeholt.“

Pauschalreisende werden wohl glimpflich aus der Sache herauskommen

Dies unterstreicht Touristiker Raisch. Pauschalreisende seien bei derartigen Fällen versichert und würden heimgeflogen. Auch wer seine gebuchte und bezahlte Reise erst in einigen Wochen antreten sollte, werde sein Geld zurückbekommen. Anders sehe es bei denjenigen aus, die nur einen Flug gebucht haben, sagt Raisch. Wie es für sie weitergehe, sei offen. Die nächsten ein, zwei Tage müsse man abwarten, meint Raisch, dann sehe man klarer, wie eine Lösung für deutsche Veranstalter aussehe.

„Wir geben keine Auskunft“, heißt es im Thomas-Cook-Reisebüro an der Kaiserstraße in Heilbronn. Dies sei eine Anweisung aus der Konzernzentrale, sagen die beiden Mitarbeiterinnen. Was die Pleite für die Beschäftigten bedeutet, ist unbekannt. 

Unter den Kunden herrscht Verunsicherung

Souverän geht Tourismusfachwirtin Chris Kadi im Travel-Point Heilbronn mit der ungewissen Lage um. "Wir sind heute extra früher gekommen", sagt sie. Unter den Kunden herrsche eine riesige Verunsicherung. "Wir versuchen, sie zu beruhigen und aufzuklären." Etwa 50 bis 60 Buchungen insgesamt seien bei ihnen von der Cook-Pleite betroffen - sowohl Urlauber, die gerade irgendwo festsitzen, als auch geplante Reisen.

Die vor vier, fünf Monaten gebuchte Reise nach Mallorca fällt eventuell für Melanie Lilienberg aus Nordheim ins Wasser. Mit Mann und Kind sollte es am Mittwoch auf die spanische Insel gehen. Die Koffer sind gepackt, erzählt die 33-Jährige. Dann habe sie von den Schwierigkeiten des Reiseveranstalters gehört. Und nun? "Ich finde es echt krass." In ihrem Reisebüro habe man ihr gesagt, dass die Flüge heute und morgen abgesagt worden seien. Wie es am Mittwoch aussieht, wisse sie nicht. Einen Plan B hat die Familie nicht. "Wer hat schon das Geld, um doppelt Urlaub zu buchen?", fragt sie. Es werde sicher dauern, bis sie die Kosten für den ausgefallenen Urlaub zurückerstattet bekomme.

Flugpläne vorerst nicht betroffen

Die Deutsche Presseagentur meldet, dass sich das Aus des Reisekonzerns Thomas Cook am Montagmorgen nicht auf die Flugpläne der Airports in Stuttgart und Karlsruhe ausgewirkt habe. In Stuttgart soll der Flugbetrieb von Ferienfliegern wie dem Tochterunternehmen Condor nach Angaben einer Sprecherin wie geplant weitergehen. Mögliche Änderungen zu einem späteren Zeitpunkt könne man jedoch nicht ausschließen.

Vom Flughafen Karlsruhe/Baden-Baden (FKB) starten generell keine Condor-Flüge, erklärte Geschäftsführer Manfred Jung. Unklarheit bestehe für Menschen, die den Urlaub mit dem Veranstalter Neckermann Reisen geplant haben: Das Tochterunternehmen habe auch Sitzplätze in Tui-Flugzeugen gekauft, die vom Baden-Airport starten. Ob die Neckarmann-Kunden am Montag bei Tui mitfliegen dürften, sei unklar, sagte Jung.

Der Mutterkonzern Thomas Cook hatte zuvor Insolvenz beantragt. Man könne nicht gewährleisten, dass gebuchte Reisen mit Abreisedatum 23. und 24. September stattfinden, hieß es daraufhin vom deutschen Ableger. Die deutschen Veranstaltertöchter, zu denen Marken wie Neckermann Reisen, Bucher Last Minute, Öger Tours, Air Marin und Thomas Cook Signature gehören, haben den Verkauf von Reisen nach eigenen Angaben komplett gestoppt.

Sommerurlaub fällt ins Wasser

Zum Thomas-Cook-Konzern gehören Tochterunternehmen in Deutschland wie Neckermann Reisen, Bucher Last Minute, Öger Tours und Air Marin. Deren Kunden hadern mit der Situation. Jasmin Boellis aus Heilbronn hatte geplant, Anfang Oktober mit Öger Tours in die Türkei zu reisen.  Boellis stand nach eigenen Angaben gleich am Montagmorgen im Reisebüro in Neckarsulm. „Da konnte man mir überhaupt nichts sagen. Ich sollte erst mal meinen Einkauf erledigen und dann nochmal kommen“, beschreibt sie die Situation in einer E-Mail.

Dass sie als Pauschalurlauberin ihr Geld zurückbekommt, bezweifelt sie.  „Wenn alle ihre Ansprüche bei so einem großen Unternehmen geltend machen, wird für jeden einzelnen nicht mehr viel, wenn überhaupt was übrig bleiben“, befürchtet sie. Es sollte Boellis´ Sommerurlaub werden. Eine Ersatzreise könne sie nicht mal so eben aus dem Ärmel schütteln.

In der Türkei bangt ein Ehepaar aus Heilbronn. „Für uns ist die Nachricht aus den Medien gerade ein Schock“, schreibt Astrid Binder. Sie sei mit ihrem Mann Georg im Türkei-Urlaub, der Flug nach Hause sei für den  Dienstagabend angesetzt. Ob der Condor-Flug wie geplant in Antalya starte, das weiß sie nicht.

 

 

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