Reha-Lehrer für Menschen mit Sehbehinderung verzweifelt gesucht
Für Blinde bringt der Alltag viele kleine und große Hindernisse mit sich, deren Bewältigung erst erlernt werden muss. Dabei kann ein Trainer helfen - doch der fehlt dem Blinden- und Sehbehindertenverband derzeit.

Wie bekomme ich die Zahnpasta auf die Bürste? Wie finde ich ins Schlafzimmer hinein und laufe nicht in die halboffene Tür? Wo setze ich mich auf die Bettkante, und wie lege ich mich hin, damit ich nicht oben mit dem Kopf anstoße? Die kleinsten Alltagstätigkeiten, an die ein Sehender keinen Gedanken verschwendet, sind für blinde und sehbehinderte Menschen ein Problem. Reha-Lehrer trainieren solche Situationen mit Betroffenen. Normalerweise. Denn seit vergangenem Jahr gibt es ein solches Angebot im Stadt- und Landkreis Heilbronn nicht mehr.
Händeringend sucht der Verband nach Interessenten
"Viele sind in Rente gegangen, und es kommt niemand nach", sagt Wolfgang Heiler, Leiter der Bezirksgruppe Kreis Heilbronn. Händeringend sucht der Blinden- und Sehbehindertenverband Württemberg nach Interessenten.
Auch für Sozialarbeiter, Pädagogen oder Mitarbeiter aus dem Gesundheitsbereich könne die Arbeit interessant sein, sagt Heiler. Der Bedarf ist groß: Auch wenn es keine offizielle Statistik gibt, gehen Hochrechnungen von 850 Blinden im Stadt- und Landkreis Heilbronn aus und von 2600 Sehbehinderten.
Die Ausbildung ist teuer, wird aber wohl bezuschusst
Der Wermutstropfen: Die Ausbildung zum Reha-Lehrer von bis zu anderthalb Jahren in Hamburg oder Marburg kostet im Jahr rund 30 000 Euro. "Ich rechne damit, dass ein Förderverein das bezuschusst", sagt Heiler.
Bis zu zehn Monaten Wartezeit gibt es im Moment auf das Mobilitätstraining, bei dem auch der Umgang mit dem Langstock erlernt wird. Ohne sind Betroffene oft ans Haus gebunden. Derzeit wird die Region notversorgt von Trainern, die weitere Anfahrtswege haben. "Das ist aber problematisch, wenn der Reha-Lehrer selbst nicht ortskundig ist, und nicht weiß, wie die Wege zum Bäcker sind, oder wie die Busse fahren," sagt Heiler.
Angehörige können den Reha-Lehrer kaum ersetzen
Angehörige könnten kaum ein Ersatz sein, auch wenn sie es versuchten. "Reha-Fachleute trainieren unter der Dunkelbrille, um sich richtig einzufühlen. Man muss sehr viel Geduld und Sensibilität mitbringen," sagt der Mann, der nach einem Unfall mit 40 Jahren sein Augenlicht verlor. "Das erste Mal aus dem Haus zu gehen, das ist wie bei der Fahrprüfung. Ich habe geschwitzt und gefroren gleichzeitig. Ich hatte kein Gefühl für Zeit und Raum. Die Überwindung ist immens." 60 Stunden Mobilitätstraining mit einem Lehrer habe er damals gebraucht, um seinen Alltag zu bewältigen, inklusive der Fahrt von Beilstein nach Stuttgart.
Mängel weisen oft die Busbahnhöfe auf
Den Alltag zu bewältigen, dazu gehört für viele das Busfahren. Von 16 zentralen Omnibusbahnhöfen im Landkreis Heilbronn seien nur zwei gut ausgestattet, etwa mit erhabenem und strukturiertem Bodenbelag, den der Langstock gut ertasten kann. Viel zu viele hätten Mängel. "Bodenleitsysteme fehlen manchmal völlig, oder es gibt Lücken, und oft sind die Pläne sind nicht zu ertasten", zählt Heiler auf. "Dann steht man da wie bestellt und nicht abgeholt und weiß überhaupt nicht weiter."
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