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Pflegeheime: Einzelzimmer für die einen, Absage für die anderen?

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Mehr ältere Menschen, höhere Ansprüche: Der demografische Wandel macht sich längst auch in der Pflege bemerkbar. Wie sich Pflegeheime auf die neuen Rahmenbedingungen einstellen.

Von unserer Redaktion
 Foto: Peter Atkins _adobe_stock_com

Anfang des Jahres ist Schluss: Das kleine Altenpflegeheim Lindenhof in Eppingen schließt, Bewohner müssen umziehen. Als einen Grund nennt der Träger Seniorenstift die vom Land ab 2019 verordnete Einzelzimmerpflicht. Weniger Plätze, konstante Kosten: Diese Rechnung gehe nicht auf. Ist das ein Sonderfall oder der Beginn einer Abwärtsspirale bei der stationären Pflege? Einblicke in eine Branche im Umbruch.

Angst vor Schließungswelle

Eppingen ist nicht allein. Das Antoniusstift in Bad Rappenau, St. Laurentius in Bretten - auch hier schließen Betreiber Pflegeinrichtungen mit Verweis auf die Vorgaben der Landesheimbauverordnung. Sie mache einen wirtschaftlichen Betrieb unmöglich, lautet der Vorwurf. Während der Verband privater Heimbetreiber darin den Beginn einer Schließungswelle sieht, versichern Experten aus der Region, es gebe kein grundsätzliches Problem. Auch im Eppinger Fall hätten mehrere Faktoren zusammengewirkt, sagt der unter anderem für die Heimaufsicht zuständige Dezernatsleiter im Landratsamt Heilbronn, Thomas Maier. Richtig sei, dass wegen der Heimbauverordnung häufig investiert werden müsse. "Das kostet Geld, aber das ist der Wille des Gesetzgebers."

Insgesamt sei es aber keinesfalls so, dass sich der Betrieb eines Pflegeheims finanziell nicht trage, ist sich Maier einig mit Martin Erdmann, zuständig für die Altenhilfe-Fachberatung im Landratsamt Heilbronn. Wie viele Heime von der Regelung, die 2019 endgültig wirksam wird, dennoch kalt erwischt werden könnten? "Das kann ich noch nicht abschätzen", sagt die Heimaufsicht-Verantwortliche Meike Schölzel, die Betreiber in solchen Punkten auch berät. Von 75 Altenheimen und Einrichtungen für behinderte Menschen hätten bisher aber erst 61 Kontakt aufgenommen.

"Uns fehlt die Zeit, aktiv auf die übrigen zuzugehen", ergänzt Thomas Maier. Nur eine Einrichtung habe bisher signalisiert, dass der Weiterbetrieb ab 2019 fraglich ist. Gleichzeitig werden drei neue Heime gebaut.

Zuversichtlich, dass es eine Lösung gibt

Andreas Haupt leitet die DRK-Residenz in Bad Friedrichshall, die ausschließlich Doppelzimmer im Angebot hat. Er wird bis 2019 nicht auf Einzelzimmer umgestellt haben. "Wir sind hier in Miete." Trotzdem ist er zuversichtlich, dass es eine Lösung gibt - über eine Ausnahmeregelung oder mit anderen Veränderungen. "Das Ziel ist, dass wir den Standort halten." An fehlender Zusammenarbeit mit den Behörden hänge es nicht.

Den Wunsch nach einem Einzelzimmer kann Haupt nachvollziehen. "Das muss man grundsätzlich befürworten." Aber es gebe auch Konstellationen, wo die Zweisamkeit für den Bewohner gut ist. Und zudem sei es auch eine Kostenfrage. "Warum lässt man das nicht den Markt regeln? Denn so sind die, die einen Heimplatz suchen, die Leidtragenden." Sie würden nämlich kaum noch einen finden.

Nur noch Einzelzimmer gibt es mittlerweile in den Häusern der Evangelischen Heimstiftung in Heilbronn-Sontheim und Böckingen. Die Umbaukosten werden weitergegeben und über den Investitionskostenzuschuss in der monatlichen Heimrechnung auf den Bewohner umgelegt. "Vor dem Umbau lag der bei unter zehn Euro, jetzt sind wir schon bei 22 Euro", weiß Heimleiter Michael Schneider. " Eine Folge: Bei höheren Heimkosten sind auch die Sozialämter schneller mit im Boot.

Zahl der Pflegeheimplätze sinkt in Hohenlohe

In Hohenlohe etwa wird die Zahl der Pflegeheimplätze sinken. Allein in den kreiseigenen Alten- und Pflegeheimen, die dem Hohenloher Krankenhaus beziehungsweise der Hohenloher Seniorenbetreuungs gGmbH (HSB) sinkt durch die Gesetzesvorgabe die Anzahl der stationären Plätze um rund zwölf Prozent: von 364 auf 323 Plätze. Obwohl an zwei der insgesamt acht Standorte keine Veränderungen notwendig sind, an einem weiteren bereits eine halbe Million Euro investiert wurde, geht HSB-Geschäftsführer Herbert Trudel von einem weiteren Investitionsbedarf von rund 500.000 Euro bis 2019 aus. Besonders für die Träger kleiner privater Pflegeeinrichtungen könnte die Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben schwierig werden.

"Wenn bereits bei uns mehr als 40 Plätze wegfallen, wird die Suche nach einem Pflegeplatz in den kommenden Jahren nicht leichter werden", schätzt Herbert Trudel. Wie viele stationäre Pflegeplätze privaten wie kommunalen Altenzentren zur Verfügung stehen, wie viele davon belegt und frei sind, wird im Hohenlohekreis nicht erfasst. Die Sozialdienste gehen aber davon aus, dass de facto alle Plätze belegt sind. Engpässe seien zu erwarten.

Auch interessant: Interview: "Das ist der Beginn einer Schließungswelle"

Auch Trudel geht von steigenden Preisen aus. Nicht zuletzt aufgrund des drastischen Personalmangels. "Der hat uns im Hohenlohekreis voll erwischt", sagt Trudel und berichtet von Ausschreibungen, die ohne Bewerber bleiben, von wachsender Konkurrenz unter den Trägern bei der Personalsuche, von Abwerbungen und damit auch von steigenden Gehaltsangeboten.

Dabei ist zu erwarten, dass der Bedarf an Pflegeheim-Plätzen weiter steigt. Mehr Ältere bedeuten auch mehr Pflegebedürftige. Doch diesen Zusammenhang sieht Martin Erdmann vom Landratsamt Heilbronn differenzierter. "Wir haben auch andere Trends." So würden mehr Menschen zu Hause ambulant versorgt: von Pflegediensten, von der Familie oder auch von osteuropäischen Hilfskräften. Das Resultat: Die Zahl stationär betreuter Menschen stagniert.

Dem Landratsamt Heilbronn wurden zuletzt rund 120 freie Plätze in den 48 Altenpflegeheimen gemeldet. Allerdings stünden nur rund die Hälfte auch zur Verfügung, erklärt Thomas Maier. "Für den Rest gelte ein Belegungsstopp." Das hat mitunter mit fehlendem Personal zu tun. Die Qualität der Pflege soll gewährleistet sein - was auch in unangekündigten Besuchen kontrolliert wird: Arbeitszeiten, Qualifikation, Dienstpläne, Hygiene oder auch Medikamentierung. Bußgelder habe es in den vergangenen Jahren schon einige gegeben. Auch Angehörige würden sich immer wieder mal bei der Heimaufsicht melden. Trotzdem sieht die Behörde die Situation in den Pflegeheimen insgesamt unkritisch. Wer sich selbst ein Bild machen möchte, kann in den Heimen nach den Begehungsberichten fragen - sie müssen auf Nachfrage ausgehändigt werden. cgl/ub/ah/bug

 

Heimverordnung

In Pflegeheimen und Heimen für Menschen mit Behinderung soll es im Wesentlichen nur noch Einzelzimmer geben. Das schreibt die Landesheimbauverordnung vor, die bereits am 1. September 2009 in Kraft getreten ist. Auch dürfen die Einrichtungen nicht mehr als 100 Plätze anbieten. Bis 2019 muss die Umstellung bestehender Heime erfolgt sein, da die Verordnung eine Übergangsfrist von zehn Jahren vorsieht. Die Regelung soll vor allem verhindern, dass Betroffene gegen ihren Willen mit Unbekannten in einem Zimmer zusammenleben müssen. Für Härtefälle gibt es allerdings Ausnahmen und Befreiungstatbestände.

 
 
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