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Die andere Seite der Realität

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Von Monika Köhler HEILBRONN Sie muss das eine oder andere selbst erlebt haben. Anders ist es nicht zu erklären, dass Ulla Meinecke, selbst ernannte Hardcore-Romantikerin, den Nagel auf dem Theaterschiff so zielgenau auf den Kopf trifft.

Von Monika Köhler
Hardcore-Romantikerin auf dem Theaterschiff: Ulla Meinecke.
Foto: Köhler
Hardcore-Romantikerin auf dem Theaterschiff: Ulla Meinecke. Foto: Köhler  Foto: Köhler, Monika

Von Monika Köhler

HEILBRONN Sie muss das eine oder andere selbst erlebt haben. Anders ist es nicht zu erklären, dass Ulla Meinecke, selbst ernannte Hardcore-Romantikerin, den Nagel auf dem Theaterschiff so zielgenau auf den Kopf trifft. Und in ihren Erzählungen so anschauliche Charaktere schafft, als sei sie seit Ewigkeiten mit ihnen befreundet. Thomas zum Beispiel, seit zwölf Jahren verheiratet, zwei Kinder, den einen oder anderen One-Night-Stand. Und jetzt eine feste Geliebte. Hat die opulenten Familienessen, Fußmassagen und Duftölbäder gegen Tiefkühlpizza und schnellen Sex eingetauscht.

Meinecke rächt sich. Zur Freude der Frauen im Publikum − Männer sind in der Minderzahl − kommt der notorische Fremdgeher in ihrem neuesten Erzählband "Ungerecht wie die Liebe" verdammt schlecht weg. Seine Frau zieht aus und tröstet sich mit einem anderen, der Rosmarinschinken so gerne mag wie sie.

Brenzlige Situationen Seine Geliebte nimmt ihm den Schlüssel zu ihrer Wohnung weg. Thomas reagiert wie Männer reagieren: Er übergibt sich erst mal. Und dann treffen die beiden betrogenen Frauen auch noch aufeinander. Der Geschichtenerzählerin und Songwriterin macht es Spaß, Schicksal für ihre genau beobachteten Figuren mit ihren kleinen Schwächen zu spielen. Sie in brenzlige Situationen zu bringen, sich mit ihnen zu identifizieren, die Sache mal aus der Perspektive des einen, dann wieder aus jener des anderen zu betrachten. Subtil baut sie Spannung auf in ihren Szenarien, die einem bekannt vorkommen und die doch mit so viel bildreichen Details, Ironie und hintergründigem Humor punkten, dass etwas Einzigartiges daraus wird.

Bärendienst Genau wie die Sache mit Dennis, der seinen Freund ohne dessen Wissen bei der Partnerbörse angemeldet, ihm mit einem Super-Profil als Katzenliebhaber und leidenschaftlichem Kampfsportler mit Hang zur Meditation einen Bärendienst erwiesen hat. Als die Fassade bröckelt, muss die andere Seite der Realität, die sich Wirklichkeit nennt, der neuen Bekanntschaft schonend beigebracht werden. Ulla Meinecke spitzt die Sache zu und erfreut das Publikum mit einem überraschenden Schluss.

Gesungen hat sie übrigens auch. Zur mal melancholisch-sanften, mal rockigen Begleitung ihres E-Gitarristen Ingo York: von der Fahrt nach Sylt und vier freien Tagen, von zweien, die zueinander passen, von Selbstoptimierung im Wellnesstempel, hochbegabten Hunden und der Gefahr, dass Träume wahr werden könnten. Und von ihrer unsterblichen "Tänzerin im Sturm". Immer noch mit diesem rauchig-samtigem Timbre, immer noch mit halb gesungenem, halb gesprochenem Text, der so locker leicht daher kommt und das Leben eine Spur leichter nimmt als es in Wahrheit ist.

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