Zweibettzimmer wird es noch lange geben
Elf Pflegeheime sehen sich außerstande, in ihren Häusern bis August 2019 nur noch Einzelzimmer anzubieten

Mit einer wildfremden Person im selben Zimmer leben und das womöglich bis ans Lebensende? Für die meisten pflegebedürftigen alten Menschen ist schon der Gedanke daran ein Alptraum. Dabei waren Zweibettzimmer im Pflegeheim früher gang und gäbe, Einzelzimmer ein Luxus. Das ist heute anders: Allein ein Zimmer bewohnen zu können, hat mit Lebensqualität und Würde zu tun.
In Heilbronn sind aktuell 62 Prozent aller angebotenen Pflegeheimplätze in einem Einzelzimmer. Das ist der Einsicht geschuldet, dass gerade pflegebedürftige Menschen ein Recht auf Privatsphäre haben.
Druck Auch der Gesetzgeber übt Druck aus. 2009 wurden die Heimträger in der Landesheimbauverordnung verpflichtet, ihre Häuser so zu verändern, dass bis 2019 allen Bewohnern zwingend ein Einzelzimmer zur Verfügung steht. Bei nach 2009 errichteten Neubauten und großen Sanierungs- und Umbaumaßnahmen muss gleich entsprechend geplant werden. Bestehende Häuser haben eine Zehn-Jahres-Frist. Die kann auf Antrag auf bis zu 25 Jahre nach erstmaliger Inbetriebnahme des Hauses oder nach grundlegenden Modernisierungsmaßnahmen verlängert werden.
38 Prozent Der städtische Pflegeplaner Horst Ebert vom Amt für Jugend, Familie und Senioren hat im März alle Heilbronner Heime angeschrieben und den Stand der Umsetzung der Verordnung abgefragt. Mit den Ergebnissen beschäftigte sich jetzt der Sozialausschuss des Gemeinderats. Gar nicht gefällt dem Gremium, dass sich immer noch 38 Prozent aller Plätze in Heilbronn in einem Zweibettzimmer befinden.
In den 15 stationären Altenpflegeeinrichtungen gibt es aktuell 1692 Plätze, davon 646 im Doppelzimmer. Allerdings waren 67 dieser Zimmer zum Zeitpunkt der Befragung nur mit einer Person belegt. Lediglich zwei Einrichtungen, nämlich die beiden Häuser der Evangelischen Heimstiftung, haben nur noch Einzelzimmer, erfüllen die Quote also zu hundert Prozent. Das Haus am Staufenberg in Sontheim hat dafür aufwendig umgebaut, das Haus am See in Böckingen wurde gleich so konzipiert. Im Juli wird es ein drittes Heim mit 100 Prozent Einzelzimmern geben: das Haus zum Fels, das in die Happelstraße in einen Neubau zieht. Das Katharinenstift, ein Tochterunternehmen der Stadt Heilbronn, will bis August 2019 alle seine Doppelzimmer umwandeln und bleibt damit innerhalb der Zehn-Jahres-Frist. Das gab Sozialbürgermeisterin Agnes Christner bekannt. Der Handlungsbedarf ist also groß.
Trotzdem sehen sich elf Häuser im Heilbronner Stadtgebiet außerstande, die Frist bis August 2019 einzuhalten. Sie wollen bei der städtischen Heimaufsicht eine Fristverlängerung beantragen oder sich eine Ausnahmegenehmigung holen. Die kann es geben aus "wirtschaftlichen Gründen" oder wegen "technisch nicht umsetzbarer Gegebenheiten." "Die Heime haben zehn Jahre Zeit, jetzt weinen sie und setzen auf Fristverlängerung", schüttelte SPD-Stadtrat und MdL Rainer Hinderer angesichts der Zahlen verständnislos den Kopf.
Zweibettzimmer würden durchaus nachgefragt, weiß Stadträtin Bettina Köhnle (Freie Wähler), die in der Pflege arbeitet. "Bettlägerige Personen sind oft froh, wenn sie jemanden im Zimmer haben, der ihnen hilft." Auch Ehepaare nehmen gerne ein Doppelzimmer. "Die Frage ist doch, ob man mangels Angebot in ein Zweibettzimmer muss oder ob man frei entscheiden kann", stellte Hartmut Seitz-Bay von den Offenen Hilfen klar. Sylvia Dörr (FWV) forderte die Stadtverwaltung auf, "mit Vehemenz diese Abfragen auch weiterhin zu machen."
Kein Mangel Ein gravierender Mangel an Pflegeplätzen wird durch die Einzelzimmer-Vorgabe in Heilbronn nicht erwartet. Die Stadt ist rechnerisch mit ausreichend vielen Plätzen ausgestattet. Ob sich die Heime auch mit weniger Plätzen wirtschaftlich tragen, steht auf einem anderen Blatt.

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