Stimme+
Region
Hinzugefügt. Zur Merkliste Lesezeichen setzen

Notarzt macht Bogen um Gefängnis

   | 
Lesezeit  2 Min
Erfolgreich kopiert!

Nach Notfall in Heilbronner Haftanstalt ermittelt die Staatsanwaltschaft

Von unserem Korrespondenten Peter Reinhardt

Es ist einiges schief gelaufen in der kurzen Krankheitsgeschichte des Strafgefangenen F. Um elf Uhr meldet sich der 62-Jährige mit starken Schmerzen in der Krankenabteilung der Justizvollzugsanstalt Heilbronn (JVA). Untersucht wird er von Sanitätern, weil offenbar die Anstaltsärztin nicht da ist. Die vermuten einen Nierendefekt und rufen den Notarzt, doch der kommt nicht. Um 13.30 Uhr fahren Beamte den Gefangenen ins Krankenhaus, wo er am Abend am durchgebrochenen Blinddarm operiert wird.

Für den Patienten geht die Sache gut aus, für andere Beteiligte ist der Ausgang noch offen. Gegen zwei Personen ermittelt die Heilbronner Staatsanwaltschaft wegen unterlassener Hilfeleistung und fahrlässiger Körperverletzung. Gegen wen, sagt der Staatsanwalt nicht. Das Verfahren zieht sich bereits seit neun Monaten. Denn der Notfall hatte sich schon Anfang März ereignet.

Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) hat den Fall des Häftlings F. erst jetzt bestätigt. Der CDU-Landtagsabgeordnete Bernard Lasotta hatte anonyme Hinweise bekommen. In Stickelbergers Brief geht es auch um zwei Todesfälle, die sich ebenfalls im Frühjahr in der Heilbronner JVA ereignet hatten. Ein Häftling starb an einem Herzinfarkt, ein anderer wenige Tage nach einer Krebsdiagnose. Der Minister sieht bisher kein Verschulden bei der JVA Heilbronn: "Nach alldem bestehen − vorbehaltlich etwaiger Erkenntnisse aus dem Ermittlungsverfahren − keine Anhaltspunkte für Behandlungsfehler oder Fehler in der Krankenpflege seitens der Justizanstalt."

Damit gibt sich Lasotta nicht zufrieden. "Wir müssen die medizinische Versorgung insgesamt überprüfen", fordert er, will von Stickelberger wissen, wo es Verbesserungsbedarf gibt. Er wirft dem SPD-Politiker Hinhaltetaktik vor: "Der Minister klärt nicht offensiv auf."

Weitere Fälle Neben dem Vorfall in Heilbronn gibt es weitere Ermittlungsverfahren, die Stickelberger auf Nachfrage bestätigt. Dabei ermittelt die Staatsanwaltschaft Ellwangen schon seit über einem Jahr im Fall von zwei Ärzten, die von einer Strafgefangenen aus dem Frauengefängnis Schwäbisch Gmünd angezeigt wurden. Sie wirft den beiden Medizinern Falschbehandlung vor. Tatsächlich wies sie ein dritter Arzt nach seiner Untersuchung ins Krankenhaus ein, wo sie auch operiert wurde. Die Staatsanwaltschaft hat ein Gutachten eingeholt.

Unter Druck steht Stickelberger schon seit dem Sommer, nachdem in der JVA Bruchsal im August ein Häftling verhungert ist. Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe prüft, ob dem unter Wahnvorstellungen leitenden Mann medizinische Hilfe vorenthalten wurde. Parallel läuft ein sogenanntes Todesermittlungsverfahren, nachdem ein Gefangener vor der Krankenabteilung an den Folgen eines Herzinfarkts starb. Beim Sturz, so das vorläufige Ergebnis der Obduktion, habe sich der Mann einen mehrfachen Schädelbruch zugezogen. Es sind nach Angaben eines Behördensprechers weitere Untersuchungen notwendig.

Vorwürfe Die Staatsanwaltschaft Stuttgart untersucht den Tod eines 64-Jährigen im Vollzugskrankenhaus Hohenasperg, der dort wegen eines Herzleidens eingeliefert wurde, aber an den Folgen eines Magendurchbruchs starb. In Mannheim hat ein Häftling seine Freilassung beantragt. Er behauptet, ihm seien zwei Tage lang dringend notwendige Medikamente vorenthalten worden. Der Staatsanwalt ermittelt.

Lassotta und seine CDU-Kollegen haben bei den laufenden Beratungen über den Doppelhaushalt 2015/16 zusätzliche Gelder für die Betreuung der Gefangenen gefordert. Er bedauert, dass die grün-rote Regierung alle Anträge abgelehnt hat. Er findet: "Geld wäre eigentlich da."

Nach oben  Nach oben